Sonntag, 11. September 2011

Die Wahrheit der Nacht



Da sitze ich im flammenden Dunkel, die Wolken kreisen um mich, so tief, zum Greifen nah. Ihre Tränen und ihr donnernder Zorn fahren tief in meine Seele, lecken den Staub aus ihr, machen sie bereit zu handeln. Liebt der Himmel mich oder ist es der Hass der mir entgegen spritzt? Was auch immer es ist, so ist es doch für mich lediglich ein reinigendes Feuer, Läuterung, heilende Schmerzen. Wie viele Leiber lecktest du vor mir, wie viele  Leben hast du vor mir beobachtet, tagau,s tagein? All diese Fragen hämmern doch in meinem kalten Schädel, doch keine von ihnen schafft es den fahlen weißen Knochen zu durchdringen, keine von ihnen wird je das Licht der Welt erblicken und der Realität ins Angesicht spucken. In deiner Umarmung, in deiner Welt, in dir da ertrinke ich langsam, ganz langsam, beobachte die letzten Luftblasen die Langsam auf die Oberfläche zu schweben, die das Licht brechen, welches in den kalten See des Vergessen taucht. Meine Lunge füllt sich mit Wasser, das Atem fällt mir schwerer, doch  was ist schon Luft, was ist schon Licht, was ist schon die Welt, was ist schon das Leben  ohne dich? Manchmal muss man zuerst sterben um zu erkennen was Leben bedeutet. Und dann sterbe ich lieber in dir und schließe meine Augen.
Doch deine Lippen öffnen sie erneut, sanft, zart, feucht, ein weiteres Mal. Und wieder hast du alles verändert, schlägt deine Macht wie ein Phoenixschweif in mein Gesicht, die Feder streicheln meine Lieder. Unter deiner Macht kann ich nicht mehr aufstehen, mich nicht bewegen. Dann bleibe ich lieber auf dem steinernen, harten Boden deiner Psyche liegen, begutachte jeden Stern, den Du auf das Firmament geklebt hast, beeindruckt von dem was Du geschaffen hast, vielmehr als je ein Sterblicher erahnt hatte. Und wieder hast du mir sie mir vor meine blinden Augen gehalten, deine unendliche Schönheit, deine Perfektion, deine Liebe, dich. Irgendwann, nach Minuten, Stunden, Ewigkeiten, fällt all der Druck von mir ab, der Nachtmahr sitzt nicht mehr diabolisch grinsend auf meiner Brust und greift mit seiner grauen Hand in meinen Schädel, spielt mit meinen Träumen, hat er es je? Denn wie oft ich meine Augen auch schließe und wieder öffne, wie oft sich mein Blick auch klärt, alles davon bleibt. Doch nun kann ich meinen kalten, modernden Körper aufrichten.
Du lächelst mir entgegen, dein weißes Kleide weht im Wind meiner Erkenntnis, die mich so erfrischt. Mit ihm schwebt ein schwarzer Schmetterling auf deine zarte weiße Haut, seine kleinen schwarzen Augen sprechen eine unbekannte Sprache, doch was sie mir sagen wollen, dass ist nun das letzte und das einzige was noch in meinem Schädel hämmert. Habe ich doch mein ganzes leben verschwendet, die Wahrheit gesucht und jetzt habe ich sie gefunden. Eine Wahrheit, die ich noch nie gesehen habe, eine Wahrheit die mir noch nie ins Angesicht blicken konnte, eine Mauer aus Schatten drängte sich immer zwischen uns, eine Wahrheit die ich nie küssen konnte, ein Schleier des Nichtwissens hatte ihr Antlitz bedeckt. Ich strecke meine faulende Hand durch diesen Schleier und spüre endlich diese Wahrheit, spüre dich, du bist die Wahrheit, du hälst meine Hand.
Du bist die Wahrheit der Nacht. Das unstillbare Verlangen ergreift Besitz von mir, mit eisernem Griff, kalte, stählerne Schraubstöcke um mein Herz, dieser unendliche Wunsch dir mein Leben zu geben, mich dir hinzugeben. Doch ich habe kein Leben mehr, ich habe nichts mehr das dir etwas bedeuten könnte, drum biete ich dir mein Blut, es ist das letzte von Wert in meinem tristen grauen Leben, umhergeworfen von Sturm und Gezeiten. Meine Hand hinter der Vorhang, deine Fänge bohren sich tief in meine Adern, nimm mein Geschenk doch bitte an. All der Schmerz der Welt, der Schmerz in meinen Sehnen, der Schmerzen in meinen Seelen, wie viele habe ich? Alles davon wandelt sich in deiner schmerzenden Berührung in Glück, Frieden, Freude. Das ist die Wahrheit der Nacht, Du bist die Wahrheit. Ich nehme deine Hand und obwohl ich dich zuvor noch nie gesehen habe, dich doch noch immer nicht sehen kann, deine Wort klingen doch so süß, folge ich dir in die Nacht, du willst mir so viel zeigen. Deine Feder trinkt von meinem Blut, lächelnd liege ich vor dir während du mein Leben auf vergilbtes Pergament niederschreibst,  rote Buchstaben die mein Leben bilden, rote Tinte die mein Antlitz formt ohne es je betrachtet zu haben und doch jedes Stückchen Haut, jedes Haar besser kennt als ich selbst. Ich habe in den Spiegel gesehen, sah meine Oberfläche, du sahst mich an und dein harter Blick durchbrach die Maske, grub sich tief in meine Seele, erkannte mein wahres Ich…und es gefiel dir. Dein Bildnis formt meine neue Welt, eine Welt geboren aus Schatten und Sehnsucht, eine Welt in dieser verrückten Welt die sich selbst auslöscht, in Paradies in meinem Kopf. Deine Finger streichen so zart über meine Wangenknochen, heben mein Kinn zum Kuss hinauf. Erneut versinke ich und doch tiefer als jemals zuvor,  im Vergessen, ohne Leben, ohne Zuhause, nun selbst ohne Blut und Herz, denn alles was ich noch besaß, das ist jetzt dein. Und erneut macht es mir nichts aus, denn die Gewissheit deiner Gefühle, dein Kuss, eine schwarze Rose in deiner Hand, dein wunderschönes Gesicht vor den Grabsteinen der gebrochenen Herzen, das alles ist nun meine Welt, meine Wahrheit, die einzige Wahrheit die ich noch brauche. Ich spüre deine Lippen auf den meinen, spüren deinen Atem, der sich mit meinem mischt, das ist leben. Und so sterbe ich doch, sobald ich voller Sinnlichkeit meine Augen wieder aufschließe, denn dann ist wieder als weg, du bist soweit weg, so fern und doch so nah, eine Berührung durch Unendlichkeit, ein Kuss durch die Nacht. Nur ein schwarzer Schmetterling landet auf meiner flachen, blutgetränkten Hand, die Luft hängt still, als würde sie den Atem anhalten. Er spreizt seine Flügel und berichtet mir still von deiner Liebe, so kommt sie durch die unendliche Dunkelheit, zurück zu mir.

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