Dienstag, 23. August 2011

Die Mühsal der Sterblichen


Die Sonne stirbt.
In Todesqualen schickt sie eine letzte Blutfontäne in den Himmel, bereit ihn rot zu färben, damit man sie niemals vergisst.
Und trotzdem wäscht die Dunkelheit ihre sterblichen Überreste vom Firmament und kaum ist sie verschwunden, so ist auch ihr Vermächtnis versunken.
Jeden Tag stirbt sie aufs neue und steht aus ihrer eigenen Asche wieder auf, wissend, dass in wenigen Stunden der Todeskampf von vorn beginnt.
Warum also, warum kämpft sie?
Jeden Tag aufs neue?

Fragen löchern meine wund gezerrte Seele, unvollkommen und entstellt.
Ich habe gekämpft, bis zum letzten Tropfen, doch blutleer muss ich mich nun fragen wieso, warum, wofür?
Ich habe alles ertragen was ihr mir an den Kopf geworfen habt, ich zog mir jeden Pfeil aus meiner Brust den ihr auf mein Herz abgefeuert hattet.
All die Schmach, die Pein, die Schmerzen, die Folter.
Frag dich nicht warum, mein Herz, weil ich es musste, weil ich das System erkannt habe, weil ich gesehen habe was das alles bedeutet!

Wir sind Raubtiere, wir müssen kämpfen, das ist unser Schicksal. Und Dieses SCHICKAL wurde mir zum Verhängnis.
Wir sind Raubtiere, das ist unsere Biologie, wir denken, wir sind besser als die „niederen“ Tiere, weil wir uns unter „Kontrolle“ halten können...
 aber die Wahrheit ist, das können wir nicht, das konnten wir nie!
Die Wahrheit ist, das was uns Ausmacht, ist, dass wir denken wir könnten unser Handeln kausalisieren, Gründe dafür nennen, aber nicht einmal das können wir.
Das Einzige was wir können, ist uns eine Ausrede einfallen zu lassen für unser Handeln, und das macht uns so toll, so stark.

Aber eigentlich so schwach. Ein Tier, es tut was es tut, was es tun muss, niemandem ist es Rechenschaft schuldig, niemand ist da, der dem Tier, dem Raubtier sagt was es tun soll.
Liegt darin nicht die wahre Macht, sich von allem zu lösen?
Sich von jeglicher subjektiver Moral und einem unzufrieden stellenden Normensystem zu verabschieden?
Das bedeutet wahre Macht und Stärke, nur so kann ich überleben, wenn das Recht des Stärkeren gilt.

Totenstille reißt mich aus den Gedanken, aus meiner Flucht.
Es ist als stände der Sandmann selbst vor meinem Fenster, im letzten Schein der Flammen die am Nachthimmel gegen das Sternenlicht kämpfen, und wollte mich in den Schlaf wiegen.
Wer schläft, der liebt nicht!
Regentropfen hämmern an die staubige Scheibe, brechen die letzten Lichtstrahlen die sich hierher verirren und leiten sie in alte Spinnennetze an den Wänden, spielen mit ihren Schatten.
Wie Hammerschläge scheinen sie auf das Glas einzuschlagen.
Wer schläft der liebt nicht, ich schlafe schon so lange nicht mehr, den meine Träume kreisen immer nur um  dich.

Ich hab das Tier in mir aus seinem Käfig gelassen, dachte es würde mich beschützen.
Doch in Wirklichkeit hatte ich in diesem Moment einen Pakt mit dem Engel des Abgrundes geschlossen.
Als das Raubtier sich befreite, sich der Wahn, die Rage, der Blutdurst in meinem hohlen Schädel breit machte, die Leere in der sich einst das Glück versteckt hielt ausfüllte, konnte ich den Rausch nicht mehr in mir halten, die Nähte meines geschunden Körpers platzten, und mit dem Blut, den Innereien und dem Schmerz floh der Hass und die Wut aus meinem Körper, manifestierten sich in Gewalt und donnerten auf dich hernieder.
Sie brach dich, zerrissen dich noch bevor dein hübsches Gesicht den harten, kalten Steinboden zu spüren bekam.
Dein Blut klebt an meinen Händen, in meinem Gesicht, an...IN meiner Seele.

Du bist nicht gestorben...aber vielleicht wäre es besser gewesen.
Besser wenn ich gestorben wäre.
Dein Blick aus Angst und Hass und die blutigen Tränen die dein Antlitz entstellten, er bohrt sich durch meine Sehnen, zerfrisst jeden meiner Muskelfasern, meiner Knochen, zerfrisst mich.
Wie Wasser zu Wein wurde, so werden meine Tränen zu Blut, doch der Regen der durch die Nacht in mein Gesicht schlägt wäscht es ab.

Ich sinke in die Knie, unfähig mich zu bewegen, schlaffe Finger lassen das vergilbte Foto mit deinem Lächeln los, der Wind trägt es fort, in die Nacht, hinfort von mir, dahin wo du auch jetzt bist...unendlich weit weg.

Die Unendlichkeit scheint meinen Schädel zu liebkosen, küsst meine Wunden.
Von hier Oben sieht alles so klein aus, Menschen, Häuser, die Welt wie ein Spielzeug in den Händen eines fröhlichen kleinen Kindes.
Doch wenn man begreift, wie klein man doch ist, wie groß alles andere, das Universum, so unendlich, was ist man mehr als ein Staubkorn in den Händen des Windes?
Was ist man mehr als eine Puppen in den Händen eines Psychopathen, der sich daran erfreut uns Dinge anzutun für die selbst das Wort „unmenschlich“ noch ein ungerechtfertigtes Lob wäre?

Die Nacht hüllt uns alle ein, würde es jemanden kümmern wenn ich morgen nicht mehr da wäre?
Es wäre meine Strafe, die die ich bekomme, die die ich verdiene, für das was ich getan habe, was ich dir angetan habe.
Den Schmerz, den unendlichen Schmerz, die Narben die dein Gesicht und deine Seele entstellen.

Ich habe meinen Namen in dein Herz geschnitten.

Ein einsamer Vogel sucht Schutz auf meinem Fenstersims, sucht Asyl vor dem Sturm, dem Zorn der Naturgewalten.
Bin ich mehr wert als dieser  Vogel?
Er würde sterben und einsam zu Boden sinken, sein Schädel in der Tiefe zertrümmern...
 und niemand würde es merken.
Würde es jemand merken wenn mein Schädel zertrümmert würde?
Würde es jemand kümmern wenn ich morgen nicht mehr hier wäre?
Würde es irgendjemandem auffallen, wenn ich morgen nicht wie ein Lemming das tue was ich jeden Tag tue, meinen Weg wie tausend andere nehme?
Irgendwann endet alles, warum also nicht jetzt und hier?
Wir sind gemeinsam allein.

Mein blick sucht wie ein Hilfeschrei nach irgendjemandem, irgendetwas an dem sich meine Seele festhalten kann, doch da ist nichts, nicht mehr.
Die Bilder an der Wand, unsere Bilder, sie zeigen nur das was ich verloren habe, nie wieder haben kann, was ich mit Füßen getreten und mit Klauen zerrissen habe,
 mein Glück, dein Glück, meine Seele, deine Seele, dich, mich.

Das Telefon bleibt stumm, niemand denkt an mich, die Stille ist ein höhnisches Lachen über mich.
Wo bin ich? Zählt das überhaupt?
Wer schläft liebt nicht, wer stirbt lebt nicht.
Aber ist das hier überhaupt ein leben?
Ist Leben ohne Dich den Leben?

Würde jemand an meinem Grab stehen, würde jemand Tränen für mich vergeuden?
Würde irgendjemand da stehen und „Danke“ sagen, bedeute ich irgendjemandem etwas, dir?
Würde ich das jemals...habe ich das jemals?
Würdest du auch nur eine einzige Träne für mich verlieren?

Regentropfen waschen mein Gesicht, waschen meine Seele rein von all dem Schmerz von dieser Welt.
Es sind die Tränen der Engel, sie kennen die Antwort auf meine Fragen, sie wissen es, sie kennen das Ende.
Nun kenne ich es auch.

Zitternd schreiben meine schwachen Hände die Letzten Zeilen meines Lebens auf altes, vergilbtes Papier, du wirst es finden, du sollst es lesen.

Ich habe meinen Namen in dein Gesicht geschnitten.
Und es tut mir Leid.
Doch Vielleicht wirst du mich SO nicht vergessen, niemals.

Angst, Tränen, noch bin ich da und im nächsten Moment einfach weg?
Wie wird es sein nur noch in den Erinnerung der Menschen zu leben, derer die ich liebte?

Kühle Klingen liebkosen meine Haut, küssen meine Adern, der Sperling sieht mir zu, beobachtet die Tropfen die zu Boden fallen, spiegelt sich in ihnen wenn sie noch gegen die Gravitation kämpfen.
Ein sinnloser Kampf... wie der meine.

Ich schneide Deinen Namen in mein Fleisch,
 warte auf die Erlösung der Klingen.

Zu lange schon ertrage ich die Mühsal der Sterblichen.
Dachte ich kann euch helfen, euch retten, dich retten, doch im Endeffekt kann ich das bei keinem, ich habe alles nur noch schlimmer gemacht.
Stille schreie untermalen meine Tränen die sich mit Blut vermischen und mit meinem Leben aus mir ausfahren.

Mein Lächeln, denkt an dich.
Du wirst jemand finden, jemanden der so ist wie du e verdienst, jemand den du lieben kannst ohne dass er dich verletzt und dich entstellt.

Klingen schneiden deinen Namen in mein Herz.
Wenn mich eines Tages jemand findet, dann soll er wissen, dass das für dich getan habe, den mein Leben allein verletzt, entstellt dich.

Während das Blut still vor sich hin plätschert verlässt die Kraft mein Körper, die Tränen versiegen, Vielleicht, weil ich beginne zu begreifen und die Angst verfliegt?
Vielleicht weil keine Tränen mehr übrig sind?

Mit meinen Tränen versiegt nun auch der Regen, die Wolken machen der wunderschönen Dunkelheit der Nacht Platz, gewähren ihr Stunden des Spieles, bevor der sinnlose Kampf von Neuem beginnt.
Vielleicht kämpft nicht die Sonne um ihre Existenz sondern Die Dunkelheit.
Vielleicht ist die Dunkelheit viel mehr als nur die Abwesenheit von Licht.

Muskeln erschlaffen, mein Blick fällt, sieht aus dem Fenster, selbst der kleine Vogel fliegt nun davon, warum sollte er auch hier bleiben, welchen Grund hätte er, hätte irgendwer mir beim Sterben zu zu sehen?
Ein letzter Blick, eine letzte Flamme am Horizont.
Ein wunderschönes Motiv für einen letzten Blick.
Dann fallen meine Augen zu, unfähig weiter diese Welt zu sehen, vielleicht wollen sie das auch gar nicht.

Eine stumme Melodie begleitet meinen Weg auf das Licht zu.
Weit entfernt klingelt das Telefon, und während ich meinen Körper aufgebe, mein Bewusstsein schwindet klingt weit entfernt deine Stimme durch den Anrufbeantworter, schallt durch den kalten Raum.
Als ich schon abgeschlossen hatte reißt mich noch einmal der zarte Klang deiner süßen Stimme aus der Umklammerung der Dunkelheit, wissend, dass es nur Augenblicke sind in welchen ich noch hier sein werde, nur Augenblicke in welchen ich dich höre, dich fühle.

Deine Worte sollten mein Herz zerreißen, sollten mich verbrennen, in meinem Tod.
Hey Du, es tut mir so Leid was passiert ist, ich wollte nur, dass du weißt, ich liebe dich, und nichts auf der Welt kann das ändern,  ich kann nicht mehr ohne dich, nicht mehr auf hören an dich zu denken, bitte, bitte, melde dich bald wieder, ich vermisse dich.“
Doch im Tod, in Verzweiflung, kann ich dich nie wieder sprechen, den Jetzt ist alles vorbei.
Ich hatte mich geirrt...
ein letztes Mal...
Der Moment in dem der Docht erlischt, ich meine Dummheit erkenne.
Ich sehe dein Lächeln vor mir, in meinem Kopf.
Dein Lächeln ist mein Herz...
Es stirbt mit mir...

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